A bis Z für den Feministischen Streik

Begriffe, die du kennen solltest

In der Diskussion rund um den Feministischen Streik wirst du einigen Begriffen begegnen, die vielleicht nicht von Anfang an klar sind. Wir bitten dich, dem Thema offen und respektvoll zu begegnen. Die folgende Auflistung hat nicht den Anspruch, komplett oder das einzig richtige zu sein. Wir sind offen für Korrekturen. Hier also die Begriffe von A-Z, die man rund um Feminismus und einen gewerkschaftlichen 14. Juni kennen muss.

AHV: Alters- und Hinterlassenenvorsorge («1. Säule»)

Die AHV ist die wichtigste Sozialversicherung der Schweiz. Sie ist für alle obligatorisch und trägt massgeblich zur Umverteilung bei. Darum ist sie gerade für Frauen existenzsichernd, denn jeder dritten Frau wird nur die AHV als Rente ausbezahlt. Im September 2022 haben wir über die Vorlage AHV 21 abgestimmt, sie wurde äusserst knapp mit 50,5% angenommen. Die Vorlage beinhaltete u.a. die Erhöhung des Frauenrentenalters und unter dem Strich eine Rentenkürzung für alle. Die Rentensituation der Frauen hat sich verschlechtert!

BVG: Berufliche Vorsorge

Die zweite Säule spart für alle Versicherten ein eigenes Alterskapital an. Dies erst ab einem Jahreseinkommen von CHF 22’050. Somit ist sie im Gegensatz zur AHV nicht für alle obligatorisch oder erreichbar – insbesondere für Frauen, die vermehrt in Tieflohnsektoren, in Teilzeitpensen und für weniger Lohn als ihre männlichen Arbeitskollegen arbeiten. Dazu kommt, dass die BVG keine Betreuungsgutschriften kennt, anders als die AHV. Das heisst, Elternteile (meist Mütter) haben jahrelange Lücken, wenn sie sich dafür entscheiden, Care-Arbeit statt Lohnarbeit zu leisten. Momentan läuft gerade ein Referendum, das wir gegen die BVG-Revision ergriffen haben. Einmal mehr sollen wir mehr bezahlen, kriegen jedoch unter dem Strich weniger Rente. Nicht mit uns, jetzt unterschreiben: www.rentenabbau.ch

Care-Arbeit: Betreuungsarbeit / Sorgearbeit.

Unter Care-Arbeit verstehen wir unverzichtbare Arbeit für andere Menschen, die nicht entlohnt wird. Sie steht also im Gegensatz zur Erwerbsarbeit. Care-Arbeit kann zum Beispiel die Erziehung der Kinder sein, aber auch das Betreuen der kranken Eltern. 80% der Care-Arbeit wird von Frauen geleistet, aber sie ist finanziell und gesellschaftlich unsichtbar. Wer unbezahlte Care-Arbeit leistet, ist mit nachteiligen Konsequenzen bei der beruflichen Laufbahn und der sozialen Absicherung konfrontiert. Entsprechend öfters sind Frauen von Armut betroffen und/oder begeben sich in finanzielle Abhängigkeit ihrer Partner*innen.

Data Gap

Der Gender Data Gap beschreibt eine Lücke in wissenschaftlichen Daten und Forschung beim Geschlecht. Generell gibt es in der Forschung nur zwei Geschlechter (noch!), doch viel mehr Studien, die nur bei Männern durchgeführt wurden. Als Grund, warum Frauen weniger in Studien einbezogen werden, gilt oft der Zyklus, welcher die Studienresultate verzerren würde. Genau wegen des Zyklus wäre es jedoch (überlebens)wichtig, den Körper der Frau besser zu erforschen, Medikamente richtig zu dosieren und Symptome korrekt zu lesen.

Emanzipation

Emanzipation wird als Befreiung von Gruppen, die aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Ethnizität oder Klassenzugehörigkeit diskriminiert werden, verstanden. Im englischen Sprachgebrauch oft gleichgesetzt mit «empowerment». Die Emanzipation ist der Weg zur Gleichstellung. Man befreit in diesem Kontext z.B. die Frauen vom Gefängnis der systematischen Unterdrückung, von der Bevormundung, von der tiefgreifenden Benachteiligung.

Feminismus

«Die Vision des Feminismus ist nicht eine ‚weibliche Zukunft‘. Es ist eine menschliche Zukunft. Ohne Rollenzwänge, ohne Macht- und Gewaltverhältnisse, ohne Männerbündelei und Weiblichkeitswahn.»
Johanna Donahl, 2004

GAV

Ein Gesamtarbeitsvertrag (GAV) ist ein branchenspezifischer oder unternehmensinterner kollektiver Vertrag zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden. Darin sind die Arbeitsbedingungen geregelt, wie zum Beispiel die Arbeitszeitvorschriften, Mindestlohn, Kündigungsschutz und die Lohnfortzahlung bei Ausfällen. GAVs sind das Resultat jahrzehntelanger gewerkschaftlicher Arbeit und dienen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmende. Die Idee dahinter ist, dass Arbeitnehmende als Kollektiv mehr Macht erhalten gegenüber ihrer finanziell überlegenen und mächtigen Arbeitgebenden.

Homosexualität

Homosexualität ist eine sexuelle Orientierung, die das sexuelle und romantische Verhalten gegenüber Personen des gleichen Geschlechts beschreibt. Oft wird es als Gegenpol zur Heterosexualität beschrieben, obwohl es viel mehr sexuelle Orientierungen als diese beiden gibt. Homosexualität ist heute noch in vielen Ländern strafbar oder stark verpönt, auch in der Schweiz erst seit 1942 legal und erst im September 2021 (!) wurde die “Ehe für alle” vom Volk angenommen.

ILO-Konvention

Die ILO-Konvention 190 ist ein Übereinkommen über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt einschliesslich geschlechtsspezifischer Gewalt und Belästigung. In der Schweiz ist diese noch nicht ratifiziert worden vom Parlament. Die linken Parteien und feministische Bewegungen machen seit Jahren auf diese Problematik aufmerksam. Dennoch wird die Verbreitung der sexualisierten Gewalt und deren Relevanz im Leben von Frauen totgeschwiegen.

Ja heisst Ja

Unter dem #NurJaHeisstJa fordern feministische Bewegungen und linke Parteien eine Revision des Sexualstrafrechts, die Konsens erfordert. Mit dieser Lösung ist jede sexuelle Handlung ohne Zustimmung als Vergewaltigung anzuerkennen. Nur so kann das Gesetz unser Recht auf sexuelle Selbstbestimmung effektiv schützen. Sie steht der Nein-heisst-Nein-Lösung gegenüber, welche ein aktives Nein erfordert, um sich zu schützen. Gerade im oft erlebten Schockzustand bei sexuellen Übergriffen ist dies nicht möglich und schützt die Betroffenen rechtlich zu wenig.

Kinderbetreuung

Beim Thema Kinderbetreuung gibt es diverse Baustellen; Genügend Kitaplätze zu haben, diese mit ausreichend Personal zu bestücken und sicherzustellen, dass deren Arbeitsbedingungen stimmen, und das Angebot zahlbar für alle anzubieten. Denn nach wie vor gilt: Mehrheitlich Frauen reduzieren ihre Erwerbsarbeit ganz oder auf Teilzeit, um Kinderbetreuung zu leisten. Dies wiederum hat wirtschaftlich negative Folgen auf die Löhne, die Renten und die Wertschöpfung generell.

Lohndiskriminierung

Das Einkommen der Frauen liegt durchschnittlich 43,2% unter demjenigen der Männer (BfS 2022). Dies, weil Frauen in schlecht bezahlten Stellen über- und in gut bezahlten Stellen untervertreten sind; weil sich diskriminierende Lohnunterschiede aufgrund des Geschlechts trotz dem revidierten Gleichstellungsgesetz hartnäckig halten; und weil Frauen nach wie vor einen grossen Teil der unbezahlten Arbeit übernehmen und deshalb weniger bezahlte Arbeit leisten (können).

Migration

Menschen mit Migrationshintergrund müssen sich ihr Leben lang mit Rassismus und/oder Fremdenfeindlichkeit auseinandersetzen. Für Frauen mit Migrationshintergrund bedeutet dies eine doppelte Diskriminierung. Die meisten Frauen mit Migrationshintergrund in der Schweiz arbeiten in Tieflohnsektoren. Sie werden unterbezahlt, ausgebeutet und arbeiten zu Randzeiten. Dadurch werden die Eingliederung in die Gesellschaft, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Zugang zu Bildung erschwert. Aus diesem Teufelskreis auszubrechen ist extrem schwer ohne externe Hilfe.

Non-Binarität

In unserer Gesellschaft leben wir eine binäre Vorstellung von Geschlecht. Wir unterscheiden Männer und Frauen. Biologisch gesehen gibt es jedoch ganz viele Geschlechter und diverse unterschiedliche Ausprägungen der Geschlechtsmerkmale. Das beweist: Gender ist ein Konstrukt, das zu vereinfachen und zu schubladisieren versucht. Menschen, die sich keinem dieser Geschlechter zuordnen können oder sich bewusst gegen die Binarität wehren, bezeichnen sich als non-binär. Sie identifizieren sich also weder als Frau noch als Mann, oder sie sind genderfluid.

Objektifizierung

Objektifizierung bedeutet, einen Menschen oder ein Tier wie eine Sache zu behandeln. Dies geht mit einem Wertverlust in der Gesellschaftsordnung einher, es führt zu einer asymmetrischen Machtverteilung. In einem feministischen Kontext wird kritisiert, dass meist Männer Frauen wie Objekte behandeln. Sie verletzen ihre Würde, reduzieren sie auf ihr Aussehen, auf Sexobjekte, machen sie austauschbar und unpersönlich, oder haben das Gefühl, über sie verfügen zu können.

Patriarchat

Das Patriarchat beschreibt ein Gesellschaftssystem, das von Männern für Männer errichtet und optimiert wurde. Im Patriarchat gilt der Mann als Oberhaupt, er ist seiner Frau und seinen Kindern überlegen. Wir leben bis heute in einem Patriarchat, in dem Frauen aber immer stärker für ihre Emanzipation und gegen ihre Unterdrückung kämpfen. Nach wie vor sind die Mehrheit der Unternehmer, Politiker, und Personen mit Macht männlich. Damit sich Frauen im Patriarchat emanzipieren können, müssen sie sich an männliche Strukturen anpassen, denn die männliche Herangehensweise wird als die einzig legitime betrachtet.

Queerfeminismus

Queerfeminismus verbindet Kämpfe. Es beinhaltet nicht nur die Emanzipation der Frau, sondern bringt Mehrfachdiskriminierungen von LGBTQIA+ Menschen mit ins Spiel. Lesben und Bisexuelle werden überdurchschnittlich stark sexualisiert, Transpersonen angegriffen, Intersexuelle haben keinen Platz in unserem System, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Warum diese Verbindung Sinn macht? Weil es dieselben Strukturen sind, die diese Menschen diskriminieren. Die «alten Feministinnen» verlieren dadurch nicht an Macht, sondern man bündelt die Kräfte.

Rollenstereotype

Rollenstereotype sind Rollenverteilungen, die Geschlechtern zugeordnet werden. So werden Eigenschaften, Fähigkeiten und Tätigkeiten schubladisiert. Zum Beispiel: Haushaltsarbeit ist Frauensache. Oder: Männer verstehen mehr von Mathematik, weil sie logischer denken. Diese Rollenstereotype sahen in der Geschichte nicht immer gleich aus. Sie sind schwer aus dem System zu bringen, weil sie und die darin enthaltenen Werthaltungen über Generationen hinweg weitergegeben werden.

Sexualisierte Gewalt

Sexualisierte Gewalt ist jede Form von unerwünschter oder erzwungener Handlung und grenzverletzendem Verhalten mit sexualisiertem Bezug. Sie kann überall stattfinden, zum Beispiel zu Hause, am Arbeitsplatz, in Institutionen, in der Öffentlichkeit oder im Internet. Sie betrifft Personen unabhängig vom Alter, sozialer Schicht oder der Herkunft. Sexualisierte Gewalt kommt in verschiedenen Formen vor und kann mit oder ohne Körperkontakt verübt werden. Bei sexualisierter Gewalt steht nicht die Sexualität im Vordergrund. Es geht vielmehr um die Demonstration von Macht und um die Durchsetzung von persönlichen oder politischen Zielen seitens der Tatpersonen.

Transgender

Transgeschlechtlichkeit hat nichts mit der sexuellen Orientierung zu tun, sondern mit der Geschlechtsidentität. Trans ist, wer sich einem anderen Geschlecht zugehörig fühlt als bei der Geburt biologisch zugeordnet. Bist du beispielsweise als Frau geboren und fühlst du dich nach wie vor als Frau, bezeichnet man dich als cisgender. Wer als Frau geboren wurde – oder zumindest mehrheitlich weibliche Geschlechtsmerkmale hatte – sich jedoch eher als Mann identifiziert, ist transgender. Transgender zu sein bedeutet, noch viel mehr systemische Diskriminierung und Gewalt zu erleben. Es sind dieselben Systeme und Personengruppen, welche auch Frauen diskriminieren. Man spricht im heutigen Feminismus deshalb oft davon, «Kämpfe zu verbinden», weil es eben denselben Ursprung hat.

Unterrepräsentation

Frauen sind unterrepräsentiert. Zum Beispiel in der Politik, in Führungsgremien, in technischen und handwerklichen Berufen, in der Literatur und in der Wissenschaft. Ihnen fehlen Vorbilder, Perspektiven und Möglichkeiten. Wer sich trotzdem wagt, begibt sich auf gefährliches Terrain voller Gegenwind, Sexismus und fehlenden Strukturen. Frauen sind untereinander oft weniger vernetzt, drängen sich weniger vor und müssen sich männlich geschaffenen Strukturen anpassen, um ans Ziel zu gelangen. Unterrepräsentation gibt es bei Frauen, aber beispielsweise auch bei People of Colour (PoC).

Vaterschaftsurlaub

In der Schweiz gibt es seit 2020 einen gesetzlichen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub nach Geburt eines Kindes. Diese zwei Wochen stehen in keinem Verhältnis zum 14-wöchigen Mutterschaftsurlaub oder zum Aufwand eines frischgebackenen Vaters. Wir finden, zwei Wochen Vaterschaftsurlaub ist erst der Anfang und fordern daher eine Elternzeit. Für mehr Flexibilität und um die Care-Arbeit besser auf beide Elternteile verteilen zu können.

Wochenarbeitszeit

Die Reduktion der Wochenarbeitszeit ist eine politische Forderung, welche in West- und Nordeuropa immer mehr Zustimmung erfährt. Begriffe wie die “4-Tage-Woche” haben sich etabliert und werden immer öfters als Pilotprojekte getestet oder gar offiziell eingeführt. Diese Forderung ist ein Abbild der sich wandelnden Arbeitswelt; Digitalisierung, Automatisierung, Flexibilisierung. Sie ist aber auch ein Resultat des steigenden Drucks auf Arbeitnehmende, worunter die Work-Life-Balance leidet. Von einer 4-Tage-Woche, welche in verschiedenen Modellen umgesetzt werden kann, würden insbesondere junge Familien profitieren. Sie könnte die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern und vereinfachen.

Xenophobie

Unter Xenophobie versteht man Fremdenfeindlichkeit, Furcht vor Fremden, oder auch Fremdenhass. Im Schweizer Kantönligeist kann Xenophobie bedeuten, dass Menschen aus einem anderen Kanton als fremd angeschaut und diskriminiert werden, weil sie beispielsweise leicht anders sprechen oder andere Traditionen haben. Öfters tritt Xenophobie jedoch zusammen mit Nationalismus und Rassismus auf. Daraus erfolgt eine Ungleichbehandlung oder gar Gewalt gegenüber «Fremden» in einer Gesellschaft. Die Ablehnung wird begründet mit sozialen, religiösen, ökonomischen, kulturellen oder sprachlichen Unterschieden. Frauen sind besonders stark davon betroffen, weil oft dieselben Gruppen auch wenig von Gleichstellung halten, (siehe auch M wie Migration).

Y-Chromosom

Das Y-Chromosom ist das Geschlechtschromosom des Mannes. Auch Männer sind wichtig im Feminismus. So brauchte es beispielsweise eine Mehrheit von Männern, die sich für das Frauenstimmrecht aussprechen, damit es überhaupt eingeführt werden konnte. Auch am diesjährigen 14. Juni braucht es die Unterstützung der Männer. Ein Weg könnte sein, an diesem Tag die Kinderbetreuung zu übernehmen, um Frauen im Umfeld den Rücken frei zu halten. Die Schicht der Arbeitskollegin zu übernehmen, damit sie an Kundgebungen oder Aktionen teilnehmen kann. Sich zu informieren, um mehr über den Feminismus zu erfahren und idealerweise noch seinen Kollegen davon zu erzählen. Oder zusammen mit Kolleg:innen an der Demo teilzunehmen, ohne sich dabei in den Vordergrund zu drängen. Den Weg hin zu einer gleichgestellten Gesellschaft schaffen wir nur gemeinsam!

Zusammenhalt

Ein Grund, weshalb das Patriarchat so schwer zu durchdringen ist, ist weil Männer einen extrem starken Zusammenhalt haben. Sei es unter Freunden, in der Chefetage oder gar gegenüber fremden Männern. Männer haben eine Tradition des Netzwerkens, des Verbindens, des Verbrüderns. Frauen-Netzwerke sind hingegen schwer zu etablieren, die Solidarität unter Frauen insbesondere im Berufsalltag ist schwach. Keine steht für die andere ein, also muss sich die Einzelne den männlichen Strukturen fügen und sieht die andere als Konkurrentin. Und alleine kommt man nicht weit, um diese Strukturen zu durchbrechen und einen ernsthaften Wandel herbeizuführen. Zum Glück gibt es immer mehr Beispiele, wie auch die feministische Bewegung, in welcher sich FINTA* zusammenschliessen und gemeinsam beweisen, wie stark man als Kollektiv auftreten kann.

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Berichte in Deinem Umfeld von unserer Fahne für den Feministischen Streik am 14. Juni