Lohn · Zeit · Respekt – das Visual des Feministischen Streiks 2023

Streiken für faire Löhne

Geschlechtsspezifischer Einkommensunterschied

Ein wichtiger Grund für den Feministischen Streik ist, dass das Einkommen von Frauen durchschnittlich 43.2% unter demjenigen der Männer liegt (BfS 2022). Dies, weil Frauen in schlecht bezahlten Stellen über- und in gut bezahlten Stellen untervertreten sind; weil sich diskriminierende Lohnunterschiede aufgrund des Geschlechts trotz dem revidierten Gleichstellungsgesetz hartnäckig halten; und weil Frauen nach wie vor einen grossen Teil der unbezahlten Arbeit übernehmen und deshalb weniger bezahlte Arbeit leisten (können). Eine Folge dieser Einkommenslücke ist auch die immense Frauenrentenlücke von 34.6% (BfS 2022).

Die Hälfte der Frauen verdiente 2020 weniger als 4’470 Franken im Monat und nur gerade mal jede zehnte Frau erhielt einen Lohn von mehr als 8’712 Franken. Besonders tief ist das Einkommen von Frauen, die im Verkauf oder in anderen Dienstleistungsberufen wie dem Gastgewerbe arbeiten. Dort haben die Frauen einen Monatslohn von weniger als 3100 Franken (Median)[1]. Ihre Kunden hingegen verdienen mehr als das Doppelte.

Grafik zur Verteilung der Männer- und Frauenlöhne.
Quelle: AHV-Einkommensstatistik BSV.

Tiefe Frauenlöhne

Ein Grund für die insgesamt tiefen Einkommen der Frauen ist die schlechte Entlöhnung von Berufen mit hohem Frauenanteil. Kleinkinderbetreuerinnen, Verkäuferinnen oder Coiffeusen verdienen nach der Berufslehre in Vollzeit etwas zwischen 3’500 und 5’000 Franken. In Berufen mit hohem Männeranteil wie Dachdecker oder Maurer sind die Löhne bei gleich langer Ausbildung dank Gesamtarbeitsverträgen rund 1’000 Franken höher.[2]

Das tiefe Lohnniveau in Branchen mit hohem Frauenanteil führt dazu, dass Frauen auch in höheren Positionen oft deutlich weniger verdienen als Männer in ähnlichen Positionen. Dort wo Frauen oft Führungsfunktionen übernehmen – bei Restaurants, Hotels und im Detailhandel sind etwa die Hälfte der Chef*innen Frauen – verdienen Chef*innen durchschnittlich 6’100 Franken. In Berufen, wo meist Männer Chefs sind – in der Industrie, auf dem Bau, in der IT (2/3 Männer) erhalten Führungskräfte rund 9’300 Franken. [3]

Ungleiche Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit

Ein weiterer wichtiger Grund für die tiefen Einkommen der Frauen ist die Tatsache, dass Frauen immer noch den Grossteil der Betreuungs- und Hausarbeit leisten und damit viel häufiger Teilzeit arbeiten (müssen) als Männer. Zählt man bezahlte und unbezahlte Arbeit zusammen, so arbeiten Frauen und Männer etwa gleich viel, je gut 50 Stunden pro Woche. Frauen arbeiten aber gut drei Fünftel dieser Zeit unbezahlt, während es bei Männer nur 40% sind.

Grafik zum Zeitaufwand für bezahlte und unbezahlte Arbeit und der Unterschied von Männern und Frauen
Quelle: BFS – Schweizerische Arbeitskräfteerhebung (SAKE), Modul «Unbezahlte Arbeit»

Dass Frauen so viel unbezahlte Arbeit übernehmen, hängt damit zusammen, dass die Schweiz bezüglich familienergänzender Kinderbetreuung anderen eurpäischen Ländern weit hinterherhinkt. Die Schweiz erreicht in einer Unicef-Publikation (2021) zur Kinderbetreuung Platz 38 von 41 untersuchten Ländern[4]. Während skandinavische Länder bis zu 2 Prozent des Bruttoinlandprodukts in Kinderbetreuungsangebote investieren, sind es in der Schweiz nur 0.1 Prozent (die OECD empfiehlt 1 Prozent). Deshalb müssen die Eltern einen grossen Teil der Finanzierung übernehmen: Mit wenigen Ausnahmen in der Romandie und in grossen Städten tragen Eltern über die Hälfte der Kosten. Das führt dazu, dass Eltern bis zu einem Fünftel ihres Jahreseinkommens für die familienergänzende Betreuung von zwei Kindern während 3½ Tagen pro Woche bezahlen müssen. Gerade Familien mit tiefem Einkommen verzichten häufig aus Kostengründen auf familienergänzende Kinderbetreuung.

Tiefe Frauenrenten

Die Arbeit jener Frauen, die für das Funktionieren der Gesellschaft unentbehrlich ist, wird nicht nur schlecht entlohnt, sie führt meist zu unwürdigen Renten. Zwar schafft die AHV als einzige Sozialversicherung den Ausgleich zwischen den Geschlechtern, weil sie die Betreuung von Kindern und Angehörigen als rentenbildende Arbeit anerkennt. Doch die AHV-Renten sind auf sehr tiefem Niveau plafoniert. Anders als es die Verfassung vorsieht, kann in der Schweiz niemand im Alter seinen Lebensbedarf alleine mit der AHV abdecken.

Und noch immer erhält knapp ein Drittel der Frauen keine Rente aus der 2. Säule. Sofern eine Pensionskassenrente vorhanden ist, ist die mittlere PK-Neurente von Frauen in der 2. Säule nur etwa halb so hoch wie diejenige der Männer. Die Hälfte der Frauen die 2021 pensioniert wurden, erhält eine BV-Rente von unter 1201.- CHF pro Monat (Neurentenstatistik 2021, BfS 2023).

Grafik: Neurenten in der 1. und 2. Säule (Median-Werte 2021)

Es ist deshalb eine traurige Realität, dass fast 11 Prozent aller Frauen direkt mit Renteneintritt Ergänzungsleistungen beantragen, um über die Runden zu kommen. Und die Situation wird nicht besser, denn das Reformprojekt BVG 21 ist im Parlament zur Abbauvorlage verkommen – und funktioniert nicht für die Frauen. Schlimmer: Für viele Frauen führt die BVG-Revision zu tieferen Renten, obwohl ihnen mehr vom Lohn abgezogen werden soll. Besonders bitter ist die Pille für jene Frauen, die einen Grossteil der Familienphase bereits hinter sich haben. Nicht nur die Erhöhung des Rentenalters, auch die geplante Senkung des Mindestumwandlungssatzes trifft sie mit voller Wucht.

Vergleich der beiden schlechten BVG-Reformmodelle

Fussnoten

[1] Schweizerische Arbeitskräfteerhebung 2018, Bruttoerwerbseinkommen Dienstleistungs- und Verkaufsberufe, Frauen, Vollzeit & Teilzeit

[2] SGB-Lohnrechner: www.lohnrechner.ch

[3] Lohnstrukturerhebung 2020, BfS 2022.

[4] https://www.unicef-irc.org/publications/pdf/where-do-rich-countries-stand-on-childcare.pdf